Presseaussendung vom 20.8.2020

Die hausärztliche Versorgung ist massiv gefährdet – und zwar nicht nur durch Corona

Ärzteumfrage: Ein weiterer Lockdown ohne finanziellen Ausgleich hätte die Schließung eines Großteils aller Ordinationen zur Folge – fast die Häfte aller Hausärztinnen und Hausärzte in Niederösterreich denkt aber ohnehin über eine berufliche Veränderung nach

„Ich bin ziemlich erstaunt über das Ergebnis unserer jüngsten Umfrage in Bezug auf das Verhalten bei einem möglichen zweiten Lockdown, an der 184 Hausärztinnen und Hausärzte aus Niederösterreich teilgenommen haben“, so Dr. Oliver Rückert, Hausarzt und Obmann der Ärzteinitiative der Plattform Freiwilligkeit. „So ist nur etwa ein Drittel der Befragten bedingungslos bereit, bei einem möglichen zweiten Lockdown die Ordination dienstbereit zu halten. Mehr als die Hälfte der Befragten stellt zwei Bedingungen für eine Dienstbereitschaft während einem möglichen zweiten Lockdown: Es müsste sowohl geeignete Schutzausrüstung gratis zur Verfügung gestellt werden als auch im Vorfeld eine Zusage für einen Kosten- und Einkommensausgleich erfolgen.“

Große Unzufriedenheit mit ÖGK und Leistungs-/Honorarkatalog

„Etwa 55 Prozent der befragten Hausärztinnen und Hausärzte geben an, durch einen weiteren Lockdown in ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten zu geraten“, so Dr. Rückert weiter. Und auch die Einschätzung der persönlichen hausärztlichen Zukunft wurde abgefragt: 45 Prozent der Befragten denkt bereits darüber nach bzw. ist sich schon sicher, alle Kassenverträge bzw. nur den ÖGK-Kassenvertrag früher als geplant zu kündigen. Begründet wird das vor allem mit mangelnder Wertschätzung seitens der Öffentlichkeit (55 %), mangelnder wirtschaftlicher Perspektive (57 %), mangelndem Respekt seitens des Vertragspartners ÖGK (73 %) sowie ungeeignetem Leistungs- und Honorarkatalog (91 Prozent).

Alarmsignale wahrnehmen und Strategien entwickeln

Interessant sind aus Sicht von Dr. Rückert die Unterschiede über die Altersgruppen: „Bei den 51 bis 55-jährigen denken mehr als 60 Prozent darüber nach oder sind sich bereits sicher, die Kassenverträge bzw. den „großen“ Kassenvertrag früher als geplant zu kündigen. Diese Gruppe ist groß und enorm wichtig. Daher ist es dringend an der Zeit, die Alarmsignale wahrzunehmen und sinnvolle Strategien zum Erhalt der hausärztlichen Versorgung zu entwickeln.“ Sollte das nicht gelingen, ist ein Zusammenbruch der hausärztlichen Versorgung zumindest in Niederösterreich vorprogrammiert. „Da helfen auch die viel gelobten Primärversorgungseinheiten nicht weiter, deren Mehrwert ungewiss ist und von denen man eines annehmen muss: Flächendeckend wären sie unfinanzierbar.“

 

Wiener Neustadt, 20.8.2020

Kontakt: Michael Dihlmann, 0664/1449894, info@plattform-freiwilligkeit.at