Außer Spesen nichts gewesen?
Der gesundheitsökonomische Sinn von Primärversorgungseinheiten ist äußerst fraglich
Dass sich Ärztinnen und Ärzte für den Betrieb von Primärversorgungseinheiten interessieren ist kein Wunder. Schließlich wird die ärztliche Tätigkeit dort im Vergleich zur herkömmlichen Niederlassung mit Subventionen, Bevorteilungen und vor allem enorm viel Geld schmackhaft gemacht. „Doch dieses Geld sollte nicht nur die Taschen der Betreiber füllen, sondern auch einen gesundheitsökonomischen Nutzen erbringen. Denn genau dafür – und nur dafür – sind die Konzepte entwickelt worden“, so Dr. Oliver Rückert, Obmann der Ärzteinitiative der Plattform Freiwilligkeit.
Aus diesem Grund wurde daher für die Pilotprojekte bereits 2017 eine eigene Leistungs- und Honorarvereinbarung entwickelt. Und zwar mit dem Ziel, die hausärztliche Betreuung so auszuweiten, dass eine Entlastung der Spitalsambulanzen eintritt. „Alle Leistungen, die in einer allgemeinmedizinischen Praxis erfüllbar sind, müssen in einer Primärversorgungseinheit in Niederösterreich auch verpflichtend erbracht werden. Dafür gibt es ein Fixhonorar plus altersabhängige Pauschalen, die aus finanzieller Sicht enorm reizvoll für die Betreiber sind. Aber es muss auch eine entsprechende Gegenleistung durch die Primärversorgungseinheit erbracht werden“, erläutert Dr. Rückert.
Transparenz und somit sachliche Diskussion wird durch Ärztekammer verhindert
„Und das alles lasst sich auch messen“, meint Dr. Rückert. „Die Betreiber sind gemäß der Vereinbarung zu einer vollständigen Dokumentation verpflichtet, die eine Evaluierung möglich macht. Und diese Evaluierung sollte so rasch wie möglich von unabhängigen externen Experten durchgeführt werden. Denn der gesundheitsökonomische Nutzen von Primärversorgungeinheiten ist fraglich. Daher wäre es auch wichtig, diesen einwandfrei zu dokumentieren.“ Die Kurienführung der niedergelassenen Ärzte der NÖ Ärztekammer weigert sich jedoch, Evaluierungsdaten oder -ergebnisse zu veröffentlichen.
Die Ärzteinitiative der Plattform Freiwilligkeit hatte bereits eine Liste mit Fragen an die Verantwortlichen übermittelt, doch begründet mit der fadenscheinigen Ausrede „Datenschutz“ weigert man sich laut Dr. Rückert, diese Fragen zu beantworten. Man verweist auf 2021, wobei auch dann die Daten nicht personen- bzw. ordinationsbezogen kommuniziert werden dürfen. „Diese Ausrede ist verwunderlich, denn wir haben keinerlei persönliche Umsatz- oder Einkommensdaten von einzelnen beteiligten oder anderen Ärzten angefordert. Die für eine Evaluierung notwendigen Daten sind von öffentlichem Interesse und datenschutzrechtlich völlig unbedenklich.“
Rasche Evaluierung durch unabhängige, externe Experten gefordert
Nachdem die ersten Primärversorgungseinheit bereits 2018 in Betrieb gegangen ist, macht es nach Ansicht von Dr. Rückert auch überhaupt keinen Sinn, eine Evaluierung möglicherweise erst 2022 mit Daten des letzten Quartals 2021 durchzuführen. „Wir brauchen sofort eine geeignete Evaluierung. Denn nur so kann man bei Bedarf noch rechtzeitig gegensteuern. Und daher ist man von Kammerseite aus der niederösterreichischen Hausärzteschaft gegenüber zu dieser Evaluierung auch verpflichtet.
Das Zurückhalten der Evaluierungsdaten durch die Ärztekammer lässt laut Dr. Rückert die Vermutung zu, dass es um den gesundheitsökonomischen Effekt dieser Zentren nicht allzu gut bestellt ist. „Denn es wäre ja ein leichtes, anhand der Daten zu beweisen, dass ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis für die Allgemeinheit gegeben ist. Doch genau das bleibt aus, und stattdessen werden wir auf einen Zeitpunkt in ungefähr zwei Jahren vertröstet. Das ist zu lange für die von den im Umfeld der Primärversorgungseinheiten niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte. Und vor allem zu lang für die Öffentlichkeit. Denn wenn es sich herausstellt, dass hier unnötig immense Summe ohne zusätzlichen Nutzen verbrannt werden, dann muss unverzüglich gegengesteuert werden.“